Fünf Fragen an… Martina Kampers
27. November 2020Fünf Fragen an… Jacqueline Meintzinger
1. Dezember 2020Wir haben unsere Mitglieder zum Interview gebeten – so auch Thomas Fröhlich aus St. Pölten (Österreich). Er ist schon lange Mitglied der Deutschen Sherlock-Holmes-Gesellschaft und leitet sehr erfolgreich den österreichischen DSHG-Stammtisch, der in Zeiten ohne Corona regelmäßig alle zwei bis drei Monate stattfindet und sich außerordentlicher Beliebtheit erfreut, da Thomas den Stammtisch immer mit spannenden Vorträgen oder andere Aktivitäten spickt.
Wann und wie bist Du eigentlich zu Sherlock Holmes gekommen?
Mit etwa 14 las ich das erste Mal eine Holmes-Geschichte. Ich erhielt zu Weihnachten von meinen Eltern einen Sammelband mit sämtlichen Sherlock Holmes-Romanen in einer Lizenzausgabe der Buchgemeinschaft Donauland; danach – zu meinem Geburtstag – folgten dann die Kurzgeschichten in 2 sehr dicken Bänden. Ich mochte sie alle, bin aber noch nicht so ganz reingekippt – das kam erst später, da war ich schon über 30. Inzwischen las ich alles Mögliche, von Elfriede Jelinek bis Jerry Cotton – und besonders mochte ich die etwas düstere Ecke, also Poe, Stoker, auch King oder Barker … und vor allem H. P. Lovecraft. Irgendwann las ich auch Doyles unheimliche Geschichten – und daraufhin beschloss ich, mir auch seine Sherlockiaden wieder einmal zu Gemüte zu führen: Und da hat’s sehr laut und deutlich „Klick“ gemacht, oder besser „KLICK!!!“ mit sehr vielen Rufzeichen. Und dann kam auch die Crossover-Anthologie „Shadows over Baker Street“ raus: das waren Pastiche-Stories, die unseren Mr. Holmes in den unwirklich-schaurigen Welten des H. P. Lovecraft ermitteln liess. Nicht alles in der Anthologie war gelungen, aber ein paar der Stories waren schlichtweg großartig. Und seitdem beschäftige ich mich recht intensiv mit dem beratenden Detektiv und seinem Boswell, Dr. Watson. Ich durfte 2013 auch ein Theaterstück für die österreichische Theatergruppe PERPETUUM schreiben, das beim Publikum sehr gut ankam und tolle Rezensionen einfuhr. Und gleichsam zeitgleich lernte ich auch den Baker Street Chronicle und die Deutsche Sherlock Holmes Gesellschaft kennen: Es war für mich Liebe auf den ersten Blick.
Was gefällt Dir daran, „Sherlockianer“ bzw. „Holmesianer“ zu sein?
Die Beschäftigung mit Sherlock Holmes ist in einer Faszination begründet, die nicht abnimmt, sondern von Tag zu Tag stärker wird. War es am Anfang etwas, was „auch“ spannend war, vergeht seitdem kaum ein Tag, an dem nicht irgendetwas im engeren wie im weiteren Sinne Sherlockianisches mein Leben bereichert, ob es sich nun um eine Gedicht über Doyle handelt, auf das ich zufällig (?) in einer antiquarischen Ausgabe von „Weird Tales“ stoße, oder ob ich mir die CD „Professor Moriarty’s Jukebox“ des absolut genialen wie völlig verkannten Singer/Songwriters Paul Roland anhöre. Und mitunter lese ich vorm Einschlafen noch ein paar Sätze aus dem Kanon und hab‘ danach ganz wunderbare Träume. Und: Ich bin mit dieser „Verrücktheit“ nicht allein. Grad durch die DSHG habe ich so unglaublich viele wunderbare Menschen kennen gelernt, alle völlig unterschiedlich – und doch eint uns die gemeinsame Freude am Holmes-Universum: das ist inspirierend, zugleich entspannend, weil man auch zumindest für kurze Zeit der Alltagsbanalität entkommen kann, und immer wunderschön, weil’s einfach tolle Begegnungen sind. Und man nimmt ja auch etwas in den Alltag mit. Jean-Luc Godard meinte einst (sinngemäß): „Wer keine Fantasie besitzt, muß mit der Realität vorlieb nehmen.“ Diesen Spruch las ich auf der Auslagenscheibe einer Buchhandlung in Feldkirch, wohin uns unsere letzte Mitgliederreise führte. Das hat schon was…
Inwiefern fließt Sherlock Holmes in Deinen Alltag ein (z.B. Lerntechniken, Eröffnung neuer Wissens- und Interessensgebiete etc.)?
Über die Lektüre des Sherlock Holmes-Kanons bin ich so richtig in die Literatur der viktorianischen resp. edwardianischen Zeit reingekippt. Holmes und sein Agent Doyle haben mir da eine unglaubliche literarische Bandbreite aufgetan. Und noch eins hab‘ ich von Mr. Holmes gelernt: Nicht unbedingt dem scheinbar Eindeutigen, Einfachen zu trauen. Versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen. „Dahinter“ zu blicken. Ansonsten spiele ich – vor allem in öffentlichen Verkehrsmitteln – gerne mit mir selber das Sherlock/Mycroft-Spiel: Sieh Dir die Person Dir gegenüber an und überlege, wer sie ist, was sie tut, welche Interessen sie hat usw. Allerdings: Meistens verliere ich. 😉
Was ist ein Dein persönlicher „Schatz“ – zu welchem Stück Deiner Sammlung hast Du eine ganz besondere Beziehung oder eine besondere Geschichte?
Die oben erwähnte CD „Professor Moriarty’s Jukebox“: die bekam ich geschickt, als es mir gesundheitlich nicht sehr gut ging und ich eine recht unangenehme OP vor mir hatte. Die Musik hat mich glücklich gemacht – das war, als hätte sich neben der unübersichtlichen und tristen Straße in die Klinik ein viktorianisch anmutender Boulevard aufgetan, der bei strahlendem Vollmond direkt in die Baker Street 221B führte.
Wenn Du eine Figur aus dem Kanon sein könntest, welche wäre das und warum?
Keine Frage, Irene Adler. Holmes reinzulegen, da gehört echt etwas dazu.